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"Distelblüten" - Russenkinder in Deutschland

Lesung mit anschließender Gesprächsrunde in Demmin

 

Zu einer Lesung mit anschließender Gesprächsrunde hatte die evangelische Kirchengemeinde Demmin am 20. September 2018 in das Elsa-Brändström-Gemeindehaus eingeladen. Zwei als „Russenkinder“ bezeichnete Nachkommen sowjetischer Soldaten und deutscher Frauen schilderten an diesem Abend ihre Erfahrungen als „Kinder des Feindes“. „Sie waren nicht gewollt und sind doch geboren worden. Gezeugt von Angehörigen der Sowjetarmee mit einer deutschen Frau, in Gewalt oder in einer Liebesbeziehung. Alle gemeinsam haben  eine Erfahrung gemacht: Fast immer ein lebenslanges Schweigen der Mütter über den Tod hinaus“, hieß es in der Ankündigung zu der gut besuchten Veranstaltung. Die Zuhörer, darunter auch eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums, erfuhren von Birgrit Michler und Winfried Behlau, dass vielen der „Russenkinder“ gemeinsam ist, dass sie oft noch heute unter der erduldeten Stigmatisierung leiden. Das Reden und Schreiben über diesen prägenden Teil ihrer Biografie hatte aber eine befreiende Wirkung - nach Jahrzehnten des Schweigens.

Schätzungen gehen davon aus, dass nach 1945 mehr als 100.000 „Russenkinder“ geboren wurden, so Prof. Philipp Kuwert aus Stralsund.  Eine Statistik dazu gebe es nicht. „Auf allen Kriegsschauplätzen gab es ´Besatzungskinder´. Heute wird ihr Leben und ihr Schicksal weltweit erforscht.“  Wie viele von ihnen  abgetrieben wurden, sei nicht bekannt.

Pastor Karsten Wolkenhauer unterstrich, dass in dem vorgestellten Buch keine Anklage erhoben werde. Es gebe kein Jammern, sondern es gehe um einen Teil der Geschichtsschreibung, der alle Kriege betrifft und der bisher mit einem Mantel des Schweigens umgeben war. Immer wieder werde ihm auch die Frage gestellt, ob nicht endlich Schluss sein sollte mit der Aufarbeitung der schlimmen Ereignisse in dieser leidvollen Zeit. „Es tut gut zu reden, ohne Schuldzuweisungen oder Hass“, so Birgrit Michler.

Diese Erfahrung habe er auch 1995 anlässlich des ersten Demminer Symposiums zur Aufarbeitung der schrecklichen Ereignisse in der Stadt zum  Ende des Zweiten Weltkrieges gemacht, so Altbürgermeister Ernst Wellmer während  der lebhaften Diskussion. „Danke, dass Sie uns Ihre Lebensgeschichte ungeschönt erzählt haben“. Der Vorsitzende des Ortsverbandes des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem die weitere ehrliche Aufarbeitung des Kriegsgeschehens wichtig ist, zitierte aus zwei Briefen Demminer Frauen, die nach dem Einmarsch der Roten Armee vergewaltigt worden waren, und mit dem Fazit endeten, nie wieder Krieg mit allen seinen Folgen zuzulassen:

 

„Das Kriegsende war fürchterlich; aber wir müssen wohl dabei bedenken, dass der Krieg von uns angezettelt wurde und die deutschen Soldaten auch Furchtbares in Russland getan haben. An die Menschen aller Nationen, die ihr Leben für diese Sinnlosigkeit ließen, wollen wir denken.“

 

„Wenn ich meine Gedanken niederschreibe, tue ich das nicht im Gefühl der Rache, sondern ich will dazu beitragen, aus unseren Erlebnissen Erfahrungen an die Jugend zu vermitteln: dass es keinen Sinn hat, Ideologien von Weltverbesserern nachzulaufen. Jedem Extremismus – von  rechts oder links – muss eine Absage erteilt werden. Wir konnten in den ersten Jahren nach 1945 den 08. Mai nicht als ´Tag der Befreiung´ begehen. Erst nach und nach, als uns immer mehr bewusst wurde, dass die Verbrechen von Deutschland ausgingen, dass das, was wir durchleben mussten, Millionen Menschen vor uns in ganz Europa erleiden mussten, erwachte auch in uns der Gedanke, dass für die Völker Europas die Maitage 1945 wirklich Tage der Befreiung waren, letztlich auch für uns, von einem System, das diese Gräueltaten zu verantworten hatte.“

 

Vor der Buchlesung waren Birgrit Michler und Winfried Behlau bereits Gesprächspartner der Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Schulzentrums ´Katharina von Bora´.

 

Fotoserien

Distelblüten (DO, 20. September 2018)

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