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Neue Gedenkstätte in der Woldeforst eingeweiht

- Hansestadt gedachte sowjetischer Kriegsopfer -

 

Unter großer Anteilnahme der Demminer Bevölkerung wurde am 17. Mai 2018 eine neue Kriegsgräberstätte im Waldgebiet der Woldeforst eingeweiht. Während der Zeit des Faschismus befand sich in deren Nähe eine Heeres-Hauptmunitionsanstalt, in der Waffen und Munition produziert wurden. In einem dazugehörigen Lager mussten zumeist sowjetische Kriegsgefangene Zwangsarbeit leisten. Die durch die schlechten, unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen  dort ums Leben Gekommenen wurden in der Woldeforst provisorisch begraben. 125 Namen zählt eine vorläufige Totenliste auf.

Unter den Verstorbenen befindet sich in diesem Gräberfeld auch Michail Stepanowitsch Mashurow. Dessen Enkeltochter, Jewgenija Michailowa Dubrova, und eine Urenkelin, Irina Viktorowna Dubrova, konnten mit Unterstützung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge nach Deutschland kommen und an der Einweihungsveranstaltung teilnehmen. Die Namenszüge ihres Groß- bzw. Urgroßvaters auf der Gedenktafel zu lesen und nach so vielen Jahren endlich zu wissen, wo er seine letzte Ruhestätte gefunden hat, war für beide ein besonders bewegender Augenblick.

Neben den nächsten Angehörigen waren auch Alexandr Gribovskii als Vertreter der Botschaft der Russischen Föderation, Vertreter des Landesamtes für Innere Verwaltung MV, des Volksbundes, des Landtages, des Landkreises und der Stadtvertretung anwesend, um der Kriegsopfer zu gedenken.

Der Posaunenchor der Evangelischen Gemeinschaft umrahmte die würdige Veranstaltung und drei Schülerinnen aus der 9. Klasse der Pestalozzi-Schule rezitierten im Wechsel sehr einfühlsam Gedanken zu Krieg und Frieden.

Nach einer Kranzniederlegung begrüßte Bürgermeister Dr. Michael Koch alle Anwesenden. Er informierte u.a. darüber, dass dieses Gräberfeld schon vor Jahrzehnten aufgeforstet wurde und eine Bergung der Toten und ihre Niederlegung in ein Sammelgrab nicht mehr möglich war. In Abstimmung mit dem Innenministerium und durch Landesfinanzierung wurde nun dieser Gedenkplatz errichtet. „Dank der Anfrage des Demminer Regionalmuseums an die Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zum Arbeitseinsatz sowjetischer Kriegsgefangener in Demmin konnte der Hinweis von Zeitzeugen auf dieses Gräberfeld in der Woldeforst bestätigt werden. Es ist nicht zuletzt auch den Zeitzeugen Gerdrud Rosentreter und Ernst Urban zu verdanken, dass diese Gedenkstätte entstanden ist. Sie haben mit ihren Berichten aus eigenem Erleben die damaligen Zustände eindrucksvoll geschildert.“

Neben der Inschrift „Gedenket der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft           1939 - 1945“ enthält das Grabmal die Namen der bisher bekannten dort

liegenden Kriegstoten in kyrillischer Schrift mit Geburts- und Sterbedatum.

„Ich möchte allen Mitwirkenden im Namen der Hansestadt Demmin danken und wünsche, dass diese Gedenkstätte von vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht nur aus unserer Stadt besucht wird. Ich freue mich, dass wir heute die Einweihung dieser Stätte so feierlich begehen dürfen. Sie soll Mahnstätte für den Frieden sein“, so der Bürgermeister.

Botschaftsvertreter Alexandr Gribovskii schloss sich diesen Worten an und betonte: „Der Stein und die Obelisken sind stumme Zeugen einer Zeit, die sich nie wiederholen möge, eine Mahnung gegen den Krieg!“

Mit besonders bewegenden Worten verlas Jewgenija Dubrova einen Brief ihrer Mutter, Sinaida Maszhurowa, die aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht nach Deutschland kommen konnte. Darin hieß es: „Die Erinnerungen können unterschiedlich sein: kindlich, fröhlich, angenehm. Meine aber sind bitter und vom Krieg geprägt. … Aus den Erzählungen meiner Mutter weiß ich etwas von meinem Vater. Er stammte aus einer armen bäuerlichen Familie mit vier Kindern.“ 1932 heiratete er. „1936 wurde ich geboren. … In meinem Gedächtnis habe ich behalten, wie der Abschied am Sammelpunkt zur Front im Sommer 1941 war: der Laster ´Polutorka´ - Anderthalbtonner, viele Menschen, Gewirr Geschrei, Weinen… Und ich, ein fünfjähriges Mädchen, hielt mich an dem Rockzipfel meiner schwangeren Mutter fest. Ich dachte, mein Bruder Wolodja hat es gut; er sitzt auf dem Arm der Mutter und sieht von oben alles besser. Und mein kleines Herz ahnte nicht, dass ich meinen Vater das letzte Mal sah!“ Nach dem Abschied kamen lange Jahre des Wartens und die Information eines Kriegskameraden, dass Michail Mashurow krank gewesen ist, als die Militäreinheit eingekesselt worden war. „Später kam eines Tages ein Brief mit dem Hinweis, dass mein Vater verschollen ist. Trotz alledem war es besser als ´Pochoronka´, der Brief mit der Todesnachricht. Wir haben lange, lange Nachkriegsjahre noch auf ihn gewartet. Die Mutter hat gesucht, verschiedene Instanzen angerufen, Anfragen geschrieben, leider ergebnislos. Die Mitteilung aus Deutschland habe ich schon alleine erhalten, denn meine Mutter und meine Geschwister leben leider nicht mehr. Und das ist sehr bitter. Aber ich habe noch erfahren dürfen, wo die letzte Ruhestätte meines Vaters ist. Und dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen!“

Nach dem Totengedenken, gesprochen vom Landesgeschäftsführer des Volksbundes, Karsten Richter, und einer Schweigeminute gab es noch viele Gespräche vor Ort, weitere Blumen wurden niederlegt und die neue Stätte des Gedenkens besichtigt. Anschließend lud der Bürgermeister in den Festsaal des Rathauses ein.

Hier begrüßte der Stadtverbandsvorsitzende des Volksbundes, Altbürgermeister Ernst Wellmer, die Anwesenden. Er informierte über die Bemühungen in der Hansestadt, insbesondere nach einem ersten „Symposium zum Kriegsende 1945“ im Jahre 1995, die Folgen des von Hitlerdeutschland entfachten Zweiten Weltkrieges aufzuarbeiten. „Und wir sind -trotz vielfältiger Anstrengungen und Aktivitäten- auch 73 Jahre nach seinem Ende immer noch nicht am ´Ziel´. Der diesjährige 8. Mai hat das noch einmal deutlich gemacht.“ Immer wieder berichten zu besonderen Anlässen, wie zuletzt nach der Filmpremiere von „Über Leben in Demmin“, weltweit die Medien über das Kriegsende in unserer Stadt. „Wir alle -hier vor Ort- sind gefordert, dieses Aufarbeiten fortzusetzen, Frieden und Versöhnung über den Gräbern zu finden und zu praktizieren.“  Er informierte die Gäste, dass „den Toten zum Gedenken und den Lebenden zur Mahnung“ nun in der Stadt die siebente anerkannte Kriegsgräberstätte errichtet wurde. In Demmin sind 2.081 Kriegstote in Einzel- und Sammelgräbern bestattet. Hinzu kommen 260 Kinder auf einem eigenen ehemaligen Gräberfeld. „Sie dürfen sich sicher sein, dass wir gemeinsam Sorge dafür tragen werden, dass das Andenken auch an diese sowjetischen Kriegsgefangenen mit der neuen Kriegsgräberstätte in Zukunft gewahrt bleibt. Die Opfer mahnen uns, alles dafür zu tun, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht“, so Ernst Wellmer.

Bevor der Militärhistoriker Karsten Behrens über die Geschichte der Heeres-Hauptmunitionsanstalt der Wehrmacht in der Woldeforst informierte und zu einem Imbiss und Gedankenaustausch eingeladen wurde, trug sich Jewgenija Dubrova in das Ehrenbuch der Hansestadt ein, überreichte dem Bürgermeister eine ukrainische Flagge und einen Wandbehang mit dem „Vater unser“.                    

Dr. Michael Koch übergab ihr verschiedene Bücher und Informationsmaterial über Demmin.

Begleitet von Vertretern des Museumsvereins, der Stadt und des Volksbundes lernten die Gäste aus der Ukraine während ihres Aufenthaltes in Deutschland unsere Region kennen und zeigten sich abschließend sehr dankbar für die freundliche Aufnahme und „den Respekt und die Achtung, welche man hier den gefallenen Soldaten entgegenbringt.“

 

 

 

 

Fotoserien

Neue Gedenkstätte in der Woldeforst eingeweiht (DO, 17. Mai 2018)